Sonntag, 22. Januar 2012

Welche Kamera kaufen?

Eine Freundin von mir ist gerade dabei, sich die erste Spiegelreflex Kamera zu kaufen und hat es da nicht so leicht.
Wie soll man denn aus dem Wust von Body's, Angeboten und Details DIE richtige Kamera für sich finden. Ich möchte hier mal meine Gedanken zum ersten Kamerakauf niederschreiben.
Aber Achtung! Es gibt natürlich kein Patentrezept, keine Weltformel, die man einfach zu Rate zieht und automatisch das beste Angebot findet. Demnach sind meine Angaben hier ohne Gewähr und ohne Anspruch auf Aktualität.

1. Was ist besser: Canon, oder Nikon?
Die Gretchenfrage. Heiß diskutiert, wild debattiert. Hier Scheiden sich die Geister und die Foren werden von Wutposts überflutet. Meine Meinung: der Vergleich hinkt! Beide Hersteller liefern exzellente Kameras und Objektive. Canon liefert meiner Erfahrung nach schneller neue Produkte und ist preislich einen Hauch moderater, Nikon liefert dafür oft bahnbrechende Neuheiten. Keine ist besser, oder schlechter! Ich persönlich nutze Nikon seit Jahren, habe aber überhaupt nichts gegen Canon. Die Bedienung unterscheidet sich nur marginal.

2. Mehr Megapixel sind besser als weniger Megapixel.
FALSCH! FALSCH und noch mal FALSCH. Das ist ein sehr schlechtes Verkaufsargument. Ähnlich wie damals die "echten Megahertz" bei Computern, oder FullHD 720 bei Fernsehern.
Wir haben momentan noch zwei Größen von Chips in Kameras verbaut: 1. Crop-Sensoren und 2. Vollformat-Sensoren, beide stehen in Relation zur Kleinbild-Ebene des 35mm Films, wie er damals in allen gängigen Kameras verwendet wurde. Crop-Sensoren sind im Verhältnis kleiner als die Abbildungsebene des Kleinbildfilms, Vollformat-Sensoren sind im Verhältnis gleich groß. Vollformat-Sensoren sind im Moment noch sehr teuer und demnach in den etwas teureren Modellen verbaut, die Crop-Sensoren finden sich in so ziemlich allen DSLR Modellen in der Preiskategorie unter 2000 Euro.
Warum ist jetzt das Argument des Verkäufers "mehr Megapixel sind besser" in 99% der Fälle falsch?
Eine normale Kamera hat heutzutage vielleicht 14, 16 oder 18 Megapixel. Das sind 14/16/18.000.000 Bildpunkte auf der Abbildungsebene. Vor 5 Jahren waren es noch 4/6/8.000.000 Bildpunkte auf der Abbildungsebene. Wir müssen jetzt verstehen, dass die Abbildungsebene sich nicht in der Größe verändert hat. Auf der selben Fläche tummeln sich heute also mitunter 4x so viele Bildpunkte, wie vor fünf Jahren! Jeder Bildpunkt muss demnach immer kleiner werden, damit er immer noch auf den Chip passt. Das geht zur Last der Bildqualität jedes einzelnen Bildpunktes. Am deutlichsten ist dieser negative Aspekt bei Bildern zu sehen, die in schlechteren Lichtverhältnissen geschossen werden.
Das bedeutet jetzt nicht, dass ältere Kameras wegen der geringeren MP Zahl automatisch bessere Bilder machen! Die Kameras heute verarbeiten Bilder wesentlich besser, als damals, kompensieren also häufig die negativen Aspekte der Megapixel-Schlacht.
Eine Kamera mit Vollformat-Sensor hat einen größeren Chip und hat demnach auch eine größere Fläche. Pixel auf dieser Fläche können also größer sein und haben so automatisch eine bessere Bildqualität.
Mein Fazit für Crop-Sensoren: bei aktuellen Modellen nicht nur auf die Megapixel schielen. Sondern auch auf Größe und Gewicht, Schnelligkeit und Zusatzfunktionen achten.
Mein Fazit für Vollformat Sensoren: auch hier würde ich nicht nur die Backend-Modelle bevorzugen. Nikon hat jetzt die D800 angekündigt, die wohl 36(!!!)MP auf dem Chip unterbringen soll. Ob das Konzept aufgeht, bleibt abzuwarten. 16MP auf der D4 scheinen mir deutlich sinnvoller!
Geballtes Arsenal der Nikon Objektive © nikonians.org


3. Brennweitenverlängerung bzw. welches Objektiv soll ich kaufen?
Der Objektivkauf ist im Grunde genommen fast noch viel wichtiger, als der Kauf einer Kamera. Denn das Objektiv liefert das Licht, die Schärfe und ist gestalterisches Mittel durch die Brennweite. Dabei wäre es immer von Vorteil zu wissen, was man denn gerne fotografieren möchte.
Mag man gerne Architektur, Porträts, Landschaftsaufnahmen, oder doch lieber Makrobilder?
Jemand, der sich eine Kamera kauft weiß das oft nicht, deswegen hat sich Industrie die Super-Zooms überlegt. Das sind Objektive, die so ziemlich alle Brennweitenbereich abdecken. Für Crop-Sensoren sind das oft Brennweiten von 18-200mm und für Vollformatsensoren 20-300mm.
Diese Super-Zooms haben den Vorteil, dass sie im Prinzip tatsächlich für jede Situation was zu bieten haben. 18mm sind ganz ok für drinnen, mit 70-120mm macht man Porträts und alles dadrüber kommt den Spannern...im Zoo zu Gute :)
Allerdings ist der Nachteil dieser Objektive in der Einsteigerpreisklasse, dass sie häufig nur mäßige Qualität liefern. Ein Super-Zoom in der gehobenen Preisklasse ist auch nicht das Gelbe vom Ei.
Besonders Lichtstark sind die Objektive auch nicht, was das Fotografieren in available light Situationen schwieriger macht.
Die Kehrseite der Medaille sind dann die Festbrennweiten. Festbrennweiten haben, wie sich aus dem Namen schon lesen lässt, keinen Zoom. Sie sind kleiner und meist leichter und haben eine größeren Durchmesser, was in einer größeren Blendenöffnung resultiert. Sie liefern in der Regel schärfere und kontrastreichere Bilder. Aber dafür fehlt der Zoom: mit einem 20mm lassen sich im Zoo keine schönen Tierbilder machen, weil der Tiger am anderen Ende des Geheges zu einem orangenen Punkt verkommt. Mit einem 600mm ist man auf einer Party auch nicht so recht aufgehoben. Jedes Porträt verkommt zu einer Hautporenstudie.
Für Anfänger sind Super-Zooms im mittleren Preissegment auf jeden Fall die richtige Wahl zum Einstieg. Von da aus lassen sich dann weitere Pläne schmieden: ob es eher ein Weitwinkel, oder ein starkes Tele wird kann dann entschieden werden.
Ach ja: die Brennweitenverlängerung. Ein Wort, dass auch gern hier in Deutschland wild diskutiert wird und das mich wütend macht.
Zunächst die Erklärung: wir erinnern uns an die Crop-Sensoren. Diese Chips sind im Vergleich zur Abbildungsebene des 35mm Kleinbildfilsm kleiner. Meistens so im Bereich 1-1.5. Das heisst der Crop-Chip ist um 1.5fach kleiner, als ein 35mm Bild. Die mm Angaben auf den Objektiven sind aber immer in Relation zum 35mm Film zu sehen. Das heisst: 20mm sind auch nur auf einer Kamera mit einem Vollformatchip tatsächlich 20mm. Auf einem Crop-Chip werden die 20mm zu 30mm (Faktor 1,5!).
Diesen Effekt nennt der Engländer eben auch Crop (von Beschnitt), der Deutsche aber Brennweiterverlängerung. Dieses Wort ist aber Faktisch falsch. Das 20mm Objektiv zeigt auf einer Kamera in etwa den Ausschnitt einer 30mm Objektivs, aber es ist immer noch ein 20mm Objektiv. Das ist ganz besonders bei der Bildgestaltung zu beachten, da Objektive zum Beispiel in verschiedenen Brennweitenbereichen die Perspektive Stauchen. Im Telebereich liegen Motiv im Vordergrund und der Hintergrund dichter zusammen, als bei einem Weitwinkel.
Merke: es gibt keine Brennweitenverlängerung, es gibt Crop.

Diese drei Gedanken sollen Euch helfen ein wenig Ordnung in den Wust der Angebote und Meinungen zu bringen, die ihr zu Rate zieht, wenn ihr auf der Suche nach einer neuen Kamera und einem neuen Objektiv seid.

Viel Erfolg und viel Spaß beim Fotografieren wünscht

John Alexander Bell