Samstag, 3. Oktober 2009

"Deine Kamera macht ja so tolle Bilder..."

Stellen wir uns mal folgende Situation vor: Florenz im Jahre 1505. Ein Mann sitzt vor einer Staffelei und malt das Porträt einer Frau. Er betrachtet sein Werk, das er nunmehr seit fast zwei Jahren bearbeitet, verbessert, erneuert, retuschiert, perfektioniert. Am Ende wird er fast vier Jahre mit diesem Bild beschäftigt sein.
Jeder der möchte, kann sich dieses Bild heute im Louvre in Paris anschauen. Natürlich ist die Rede von Leonardo Da Vincis Mona Lisa. Nun stelle man sich ihn vor, wie er gerade dabei ist sein Werk zu vollenden, da bekommt er besuch von einem entfernten Bekannten, der einen Blick darauf erhaschen kann. Nun stelle man sich weiter vor, diese fiktive Situation führte zu folgendem Kommentar des Gastes: "Leonardo! Deine Pinsel malen so schöne Bilder!"

Wer sich jetzt ein Schmunzeln nicht verkneifen kann, der weiss nicht, was man sich als Fotograf (und als Fotograf ist man zweifelsohne Künstler) manchmal von Laien anhören darf.

"Deine Kamera macht ja so tolle Bilder!"

Anhand von drei fototechnischen Aspekten möchte ich diesen Satz ein wenig genauer betrachten und so zeigen, was er in mir als Fotografen auslösen kann:

1. Die Kamera ist der erste Aspekt: es ist liegt klar auf der Hand, dass die Fotokamera das entscheidende Instrumentarium ist, wenn es darum geht die Bilder technisch entstehen zu lassen. Die Linse bündelt das Licht, der Spiegel klappt hoch, die Verschlussvorhänge öffnen und schließen sich innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde und erlauben dem Licht auf die Abbildungsebene (früher meist Film, heute meist Chip) zu treffen. Durch ein chemisches Verfahren mit dem belichteten Film und durch ein digitales Verfahren mit der Speicherkarte werden die Bilder dann schließlich sichtbar gemacht und weiterverarbeitet. Es ist auch ganz klar, dass die Qualität jeder einzelnen Komponenten der Kamera für die Qualität des Gesamteindrucks entscheidend ist.
Meint der Laie nun diese Qualität, wenn er sich zu der oben genannten Frage hinreissen lässt? Meiner Meinung nach: eher nein, als ja. Der Grund: als Laie betrachtet er das Bild nicht nach technischen, sondern nach subjektiven Kriterien. Die technischen Aspekte der Bildqualität bemerkt er demnach (mehr oder weniger) passiv und formt so seine Meinung eher aus dem Bauch heraus, als gezielt wegen eines bestimmten Merkmals.
Würde er allerdings sagen: "Deine Kamera ist so rauscharm!" wäre das zwar eine präzisere Aussage bezüglich der Technik, allerdings wäre er dann im weitesten Sinne auch kein Laie mehr.
Ich will es nicht zu philosophisch werden lassen, deswegen schnell zum

2. Aspekt: das ist das, was das Bild darstellt. In meinem Fall sind das überwiegend Menschen, die ich im Studio, manche aber auch draußen fotografiert habe.
Entscheidend für ein gutes Ergebnis sind Licht, Ausdruck, Pose, Outfit und letztendlich die Ausstrahlung der fotografierten Person. All das wirkt nun auf den Betrachter und verhält sich im Grunde genommen nicht anders, als die oben genannten einzelnen Komponenten der Kamera. Die Merkmale sind dem Laien nicht bewusst, sondern sie wirken passiv auf ihn und helfen, wie oben schon die Qualität der Kamera, ein positives "Buchgefühl" zu vermitteln :)

3. Aspekt: die Fähigkeiten des Fotografen. Hier wird es nun interessant, denn ohne den Fotografen und seine Fähigkeiten könnte man auch eine Schaufensterpuppe und eine Kamera auf einem Stativ in einen komplett dunklen Raum stellen und ungeduldig auf die fotografischen Ergebnisse warten.
Der Fotograf mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten, seinen Ideen und Visionen und letztendlich der technischen Verbindung nach draussen, also dem gezielten Einsetzen von Licht, Blende, Perspektive, Fokussierung, Anweisung und Ausschnittwahl ist derjenige, der das dunkle Etwas mit Dingen erfüllt, die am Ende eine Wirkung auf den Betrachter haben.
Der Fotograf ist wie Leonardo Da Vinci; nur benutzte dieser früher eine Staffelei, eine Leinwand, Farben und Pinsel und Fotografen nutzen eine Kamera, ein Objektiv und darauf abgestimmtes Licht, um zu "malen". Sicherlich sind die Farben und Pinsel, die Da Vinci nutzte auch ein ganz entscheidendes Kriterium, um die Wirkung des Bildes zu erzielen, aber was wären die Farben denn ohne den Künstler? Doch nur Farbpigmente, ohne Zweck in dieser Welt. Und die Pinsel? Nur Stöcker mit Borsten ;)
Und was wären Kameras ohne uns Fotografen? Nichts weiter als Glas und Metall und Plastik, ohne Sinn und ohne Richtung.

"Deine Kamera macht so tolle Bilder!" hört man als ambitionierter Fotograf nun wirklich nicht gerne, obwohl es im inneren den Satz birgt: "Dein Bild, also das Ergebnis Deiner Mühen, gefällt mir!".